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Das Cover der CD spricht eine deutliche Sprache. Magnus Öströms nackter Oberkörper schält sich aus dem Tiefschwarz des Hintergrunds, in der rechten Hand hält er ein Schlagzeugbecken. Öström sieht aus wie ein Schiffbrüchiger, der sich an das Letzte klammert, das ihm geblieben ist. Und für eine gewisse Zeit sah es so aus, als ob er noch nicht einmal das behalten dürfte. Denn nach dem Unfalltod seines engen Freundes Esbjörn Svensson, den er seit Kindesbeinen gekannt und mit dem er zusammen das wegweisende Trio E.S.T. gegründet hatte, war auch die Musik aus Öströms Leben verschwunden.
»Ich konnte das Schlagzeug nicht mehr anfassen«, erinnert sich der Schwede an die schmerzliche Zeit. »Ich dachte viel darüber nach, dass es das vielleicht war. Ich musste herausbekommen, wie es um mich und die Musik bestellt ist, ob ich daran noch etwas finden kann.« Glücklicherweise wurde Öström mehr als fündig, wie »Thread of life«, das erste Soloalbum des E.S.T.-Schlagzeugers, beweist.
Auf der CD zeigt sich Öström als bemerkenswerter Song-Architekt, der eine ganz eigene Art von Jazzrock – mit krummen Metren, Soundverfremdungen und starken Melodien – entwirft. In Kombination mit der leidvollen Geschichte, die hinter der Aufnahme steckt und sich in Stücktiteln wie »Weight of death« artikuliert, entwickelt »Thread of life« eine emotionale Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann.
»Esbjörns Tod war eine wirklich harte Erfahrung. Mein Fundament ist erschüttert«, sagt Öström. »Andere Leute würden dieses Erlebnis in Liedzeilen verarbeiten, ich stecke alle meine Gefühle in die Musik – und ich denke, man hört, was ich in den letzten zweieinhalb Jahren durchgemacht habe. Da ist viel Trauer. Es gibt aber auch einige positive Dinge.«
Zu diesen positiven Dingen dürfte die Bereitschaft Pat Methenys gehören, auf der CD an einer entscheidenden Stelle mitzuwirken. Auch wenn die von Metheny arrangierte Öström-Komposition »Ballad for E« mit ihrem freundlichem Akustikgitarren-Einsatz wie ein Fremdkörper wirkt – der Gastauftritt des US-Stars zu Ehren des schwedischen Pianisten zeigt, dass Esbjörns Erbe auch im Geburtsland des Jazz eine große Wertschätzung erfährt. Vielleicht könnte diese tiefe Verbeugung des Gitarristen das Jazz-Verhältnis zwischen den USA und Europa verändern, hofft Öström: »Natürlich – europäische und amerikanische Musiker haben immer wieder zusammengearbeitet. Aber es verlief stets nach dem Muster: Ein namhafter US-Solo-Typ zieht sein Ding mit einer europäischen Rhythmusgruppe durch. Jetzt aber könnte es eine Weiterentwicklung geben.«
Bevor sich Öström aber um die Zukunft kümmern kann, will er erst mit der Vergangenheit fertig werden. »Thread of life« endet nicht zufällig mit der dichten, zweiteiligen »Hymn (for the past)«. Wie sehr vermisst er die Vergangenheit? Der Schlagzeuger lässt eine lange Pause. »Ich bin sehr dankbar. Es war unser Kindheitstraum, so weit zu kommen. Ich trage diese Erinnerung wie einen Schatz in mir.«
Josef Engels, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 2 / 2011
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