home

N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Startseite · Interview · Gefragt

Anna Prohaska

»Ich lasse mich nicht ausbeuten«

An der Berliner Staatsoper singt sie längst große Rollen, doch auch außerhalb der Hauptstadt ist sie schon mehr als ein Geheimtipp. Mit Manuel Brug sprach die gebürtige Österreicherin über lockende Dirigenten, eigene Entscheidungen und Konzeptalben.

Den Nixen, Undinen, Rusalken ist Anna Prohaskas erstes DG-Recital »Sirène« gewidmet, und entsprechend vieldeutig blickt uns die gegenwärtige Starsopranistin der Berliner Lindenoper auf dem Cover entgegen. »Wir haben das in einer Villa am Wannsee aufgenommen, das war toll,« sprudelt es enthusiastisch aus ihr heraus. »Ja, die Bilder, sind durchaus lasziv, aber wie das um die Füße gewickelte Kleid schon zeigt – ich führe hier eine Rolle vor, hinter der ich mich auch verstecke, die eigene Persönlichkeit kann trotzdem durchschimmern.«
Die fast ungehemmte Möglichkeit des Könnens, Wollens, Dürfens. Bei kaum einer jungen Sängerin teilt sich das sofort und so unmittelbar mit wie bei der Wahlberliner aus Wien mit der strahlend saugenden, gläsernen und doch leicht verhangenen Stimme, um die sich die Dirigenten reißen, an der Spitze Barenboim, Rattle und Abbado. »Es ist so schwer, nein zu sagen, wenn Traumrollen winken. Das bereitet mir große Konflikte und schlaflose Nächte. Da wollen Menschen mit mir arbeiten, die ich seit meiner Kindheit bewundere. Da muss ich beharrlich und freundlich bestimmt sagen, kommen Sie bitte in fünf Jahren wieder! Damit bin ich bisher gut gefahren, ich hoffe das bleibt so.«
Wie also geht ein ruhiger Karriereschritt bei jemandem, der plötzlich in ziemlich hellem Rampenlicht steht? »Zum Beispiel mit meiner ersten Susanna in Berlin, ganz normal im Repertoirealltag, aber mit Barenboim. Mit ihm gebe ich im Dezember auch mein Scala-Debüt, ganz bescheiden als Zerlina im »Don Giovanni«. Obwohl es jetzt schon kribbelt.« Plötzlich wird Anna Prohaska ernst und grundsätzlich: »Viele Dirigenten kennen die Partien nicht, die sie einem anbieten. Ich bin ein leichter Koloratursopran und bin mir selbst die nächste, weiß, was ich mir zutrauen kann. Meine Stimmbänder gibt es nur einmal. Da muss man Widerstand leisten.« Lebenskluge Worte, die zeigen: Da steht jemand am Anfang, ist durchaus noch unfertig und sympathisch unsicher, hat aber eine Vision von sich selbst und seiner Karriere. Keine Wunder. Anna Prohaska kommt einerseits aus einer archetypisch österreichisch-englischen Theaterfamilie, andererseits hat sie kaum noch ihren Abschluss an der Berliner Hanns- Eisler-Schule geschafft, so sehr war sie schon seit 2006 eingebunden ins Ensemble der Staatsoper. Und jetzt hat Anna Prohaska also ihren ersten Plattenvertrag bei einem Major-Label, doch auch für Wergo hat sie bereits eine hinreißende CD mit frühen, an Berg erinnernden Liedern von Bernd Alois Zimmermann herausgebracht. Für sie also nicht unbedingt die große Veränderung: »Ich bin nicht die unbekannte Stimme aus Tiflis. Ich habe mir das aufgebaut, das war nicht ein großer Schritt, sondern viele kleine. Die Plattenfirma respektiert diese Arbeit – die haben mich nicht entdeckt.«
Fühlt sie Druck durch die große Plattenfirma? »Da sind tolle Leute, die mich sehr eng begleiten, die vorsichtig mit meinem Terminkalender planen. Wir bleiben bei unseren Abmachungen – ich lasse mich also nicht ausbeuten.« Ist die erste Platte ihr Baby? »Total, ich habe das ja auch schon live gesungen. Ich habe mich damit bei der Grammophon durchsetzen müssen, aber die haben mir vertraut, meine Leidenschaft hat sie offenbar überzeugt. Ich will nichts aufgedrückt bekommen, lieber Konzeptalben. Ich spiele gern mit archetypischen Frauenfiguren, baue drum herum, das ist viel interessanter als ein Kessel Buntes. Trotzdem sind hier Lieder aus allen Epochen, mal mit Laute, mal mit Klavier, ich singe auch mit mir im Duett.«
Und Biographisches ist auch noch mit hineinverwoben: Das Fischerhaus am Wasser im anfänglichen Mahler-Lied, das gibt es wirklich. In dieses Familienrefugium zieht sich Anna Prohaska zurück, wenn sie auftankt, Kraft schöpft. Und dann ist da auch noch das Elternhaus in Wien- Hietzing. Im Wohnzimmer hat Johann Strauß »Die Fledermaus« komponiert. Kein Wunder, dass Anna Prohaska Singen wie Atmen empfindet.

Sirène

Anna Prohaska, Eric Schneider, Simon Martyn-Ellis

DG/Universal

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.

Manuel Brug, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 3 / 2011



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Volt & Vinyl

Volt & Vinyl

Martha Argerich

Die musikalische Liebesheirat zwischen Martha Argerich und Frédéric Chopin besteht seit einem […]
zum Artikel

Unterm Strich

Unterm Strich

Ramsch oder Referenz?

CDs, vom Schreibtisch geräumt. […]
zum Artikel

Gefragt

Olga Peretyatko

Rotkehlchen

Die Sopranistin widmet sich auf ihrem neuen Album „Russian Light“ Raritäten des russischen […]
zum Artikel


Abo

Top