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Der neue Star von der Insel ist eine präsente, zugewandte junge Frau mit lebendigen Augen, die selbst so früh schon hellwach sind, und einem modernen schwarzen Kleid, das nicht zu verbergen sucht, dass sie nicht nur in Bezug auf ihre Karriere guter Hoffnung ist. Wobei Lucy Crowe die Bezeichnung »Händel-Sängerin« zu Recht als einengend ablehnen würde. Denn auch wenn sie gleich mit ihrem ersten Soloalbum ein gewichtiges Wort zu diesem Komponisten sagt, so ist ihr Spektrum sehr viel weiter und reicht von Monteverdi bis zur Moderne. Ihren internationalen Durchbruch in Covent Garden erlebte sie als Sophie in Strauss’ »Rosenkavalier« und träumt – »obwohl fern davon, meine Jahre fortzuwünschen« – von einem Auftritt als Gräfin oder Marschallin.
Eine Sängerin habe sie schon immer werden wollen, sagt Crowe, obwohl ihre Eltern keine professionellen Musiker seien. »Aber meine Mutter singt im Kirchenchor und wenn sie sich hätte ausbilden lassen, dann hätte sie eine großartige Stimme. Ich habe sogar versucht, ihr Stimmtraining zu geben!« Die Liebe ihrer Eltern zur Musik beschränkte sich jedoch nicht nur auf das eigene Musizieren, und so wuchs Crowe mit Aufnahmen von Maria Callas und Händels »Messias« auf – ohne dafür allerdings auf das Hören von Popmusik zu verzichten: So brachte sie von einem Schüleraustausch in Deutschland beispielsweise die Liebe zur Band Metallica mit. Eine Weile habe sie gar mit einer Karriere im Musical oder Pop geliebäugelt – um sich dann doch für die Klassik zu entscheiden: »Es gibt etwas in der klassischen Musik, das es mir erlaubt, mich meinen Emotionen in einer anderen Art und Weise hinzugeben – einer befriedigenderen und erfüllenderen. « Pop macht sie gelegentlich nebenbei mit ihrem Mann – einem klassisch ausgebildeten Hornisten – in Londoner Pubs und Clubs.
Größere Engagements klopft die doppelte Durchstarterin, neben der Karriere als Gesangsstar nun auch als Mutter, inzwischen nach Kinderfreundlichkeit ab: »Meine erste Oper nach der Geburt meines Kindes ist Janácˇeks »Schlaues Füchslein« in Glyndebourne – das ist ein schöner Ort, um dort mit einem Baby zu sein. Dann gehe ich allerdings nach Australien, aber glücklicherweise spielt mein Mann im Orchester. Und dann geht es an die MET – da wird meine Mutter dabei sein, die mir angeboten hat, das Kindermädchen zu machen.«
Was ihre Händel-CD betrifft, so entstand die Idee dazu aus Konzerten mit »The English Concert« – einem Ensemble, das zu den Bewahrern der englischen Alte-Musik-Tradition gehört. »Es fühlte sich für alle einfach richtig an«, sagt Crowe. Es gäbe allerdings auch Traditionalisten, die mit dem dramatischen Interpretationsansatz von Kantaten wie »Armida abbandonata « weniger gut klargekommen seien: »Als ich beim Händel-Wettbewerb in London auftrat, kam ich zwar ins Finale, bekam aber keinen Preis, weil die Jury meinte, dass ich besser Mozart hätte singen sollen, da es so dramatisch war – womit ich überhaupt nicht einverstanden bin: Denn ich will diese Musik so bewegend und real wie möglich gestalten.«
Tatsächlich ist es verblüffend, wie Lucy Crowe selbst aus gedrechselten Arientexten und scheinbar harmlosen Schäferkantaten in jedem Moment lebendige, sprechende Bilder und unmittelbar packende emotionale Situationen zu schaffen weiß – und das mit Intelligenz und einer warm glänzenden, extrem beweglichen und makellos geführten Stimme. »Ich glaube, dass ich Glück habe, dass ich mit Texten ganz unmittelbar etwas anfangen kann und ganz besonders mit emotionalen Texten «, sagt Crowe. »Als ich jung war, wurde ich ziemlich böse gemobbt, und aus Eskapismus habe ich gesungen und Literatur gelesen. Als ich 18 war, verlor ich einen sehr guten Freund, und solche Dinge zu erleben trägt dazu bei, sich selbst besser kennenlernen zu wollen. Da ich Gesangsunterricht hatte seit ich zehn bin und schon mit zwölf vor einem Publikum stand, um Schuberts ›Du bist die Ruh’ zu singen, habe ich mein Herz ganz gut studiert. Ich hoffe, dass sich diese Emotion und Ehrlichkeit mitteilt.«
Carsten Niemann, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 6 / 2011
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