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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Startseite · Interview · Blind gehört

(c) Marco Borggreve

Blind gehört

Francesco Piemontesi: „Das wäre der Schwarzkopf nie passiert!“

Der Schweizer Pianist Francesco Piemontesi erkennt in unserem Blindtest fast alles – außer Sänger. Geboren 1983 in Locarno, studierte er in Hannover bei Arie Vardi und arbeitete mit Cécile Ousset, Alexis Weissenberg sowie in London mit Alfred Brendel und Murray Perahia. Zahlreiche CDs von ihm erschienen bei Naïve, Claves, Orfeo und Linn Records, unter anderem mit Werken von Schumann, Debussy und Mozart. Seit 2013 ist Piemontesi künstlerischer Leiter der „Settimane Musicali“ in Ascona. Er lebt in Berlin.

Sehr hell, sehr klar. Nichts verschwimmt. Das klingt für mich ganz nach Murray Perahia. Ich wusste allerdings nicht, dass er die „Hammerklaviersonate“ aufgenommen hat. Ich bin das Werk einmal mit ihm durchgegangen. Das dauerte viele Stunden. Perahia sitzt dann neben einem – und macht Angst. (lacht). Was Perahia mir damals sagte, ging genau in diese Richtung. Es geht um die Suche nach einer Grundstimmung. Nach Kontrasten. Nach großen Linien. Tatsächlich sind die Kontraste in heutigen Beethoven-Interpretationen meist zu gering. Hier nicht. Der Hocker, auf dem man bei Perahia in London spielt, stammt übrigens aus Horowitz’ Besitz. Man sitzt auf einem Stück Musikgeschichte. Und da soll einem nicht angst und bange werden …?!

Ludwig van Beethoven

Klavier-Sonate Nr. 29 B-Dur op. 106 „Hammerklavier“

Murray Perahia

DG/Universal

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Dies ist in einer tiefen Stimmung gespielt, wohl 415 Hz. Ein sehr schönes Instrument. Das Fortepiano liegt ja irgendwo zwischen Cembalo und Flügel. Manche Fortepianos haben entsprechend einen sehr kurzen Klang im oberen Register. Dieses nicht. Es fallen mir nur zwei Interpreten ein: Kristian Bezuidenhout und daneben Ronald Brautigam, vielleicht noch Andreas Staier, aber sie würden das Werk perkussiver angehen. Auch Christine Schornsheim spielt freier. Also tippe ich doch einmal auf Bezuidenhout. Klingt ganz wunderbar. Nicht preziös, nicht manieriert. Großartig.

Wolfgang Amadeus Mozart

Fantasie d-Moll KV 397

Kristian Bezuidenhout

harmonia mundi

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Oh! An die Aufnahme erinnere ich mich gar nicht. Von der Klarheit her könnte es Walter Gieseking sein, aber auch Arturo Benedetti Michelangeli. Die Stimmung ist wahnsinnig tief, fast unter 400 Hz. – Leider habe ich ein absolutes Gehör, diese Dinge kann ich mir nie aus dem Kopf schlagen. Ich glaube, das ist mir hier mit zu wenig Pedal gespielt. Debussy, soweit ich weiß, hielt die Pedale länger. Vielleicht fehlte auf dem Klavier, das hier verwendet wird, auch das mittlere Pedal. Aus der Beschäftigung mit älteren Aufnahmen dieses Zyklus ist mir vor allem die für mich beste in Erinnerung geblieben: von Jean-Rodolphe Kars. Sie entstand in den 70er Jahren, kurz bevor Kars den Beruf aufgab und Priester wurde. Auch ein großartiger Messiaen-Spieler!

Claude Debussy

Préludes, Heft 1

Walter Gieseking

Warner

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Wie schön! Das Stück habe ich gerade heute geübt. Hier vielleicht etwas langsam, es ist kein Andante mehr. Die Stimmung ist wiederum sehr tief, aber immer noch besser als heute, wo man das 1. Brahms-Konzert gelegentlich fast in dis-Moll hören kann. Von der Art zu spielen her ist es auf jeden Fall ein älterer Pianist. Diese Einfachheit, die man hier bewundern muss, ist heute meistens verlorengegangen. Es erinnert mich ein bisschen an Kempff. Aber noch mehr an Julius Katchen. Unvergleichlich das erste Klavier-Trio mit Josef Suk und Janos Starker. Katchens Spiel strahlte immer eine unglaubliche Wärme aus. Er ist traurig, aber nicht zu sehr. Er dürfte damals wohl schon von seiner Krankheit gewusst haben. Ein großer Kunstkenner und auch Sammler, wie mir ein befreundetes Ehepaar erzählt hat, das ihn noch selber kannte. Besonders interessierte er sich, wenn ich mich recht erinnere, für asiatische Kunst.

Johannes Brahms

Intermezzo Es-Dur op. 117, Nr. 1

Julius Katchen

Decca/Universal

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Da hört man gleich, wie viel Debussy in Messiaen steckt. Uhh!, schön!! – Die Aufnahme macht mich traurig, denn das Werk hätte ich vor zwei Jahren mit ihr aufnehmen sollen. Also mit Martha Argerich. Das ist sicher die Aufnahme mit Alexandre Rabinovitch. Ich habe mir fast die Finger gebrochen damals, so wahnsinnig kompliziert ist das. Da Messiaen nicht tonal, sondern modal komponierte, muss man in diesen Modi groß geworden sein – so wie Pierre-Laurent Aimard, der mir kürzlich beim Abendessen erzählte, ihm falle Messiaen leichter als alles andere.

Olivier Messiaen

Vision de l’amen

Martha Argerich, Alexandre Rabinovich

Warner

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Ist das etwa die Aufnahme, bei der die Orgel einen Viertelton tiefer gestimmt ist?! Ja!, das ist sie. Auch vom Klang her könnte man sie erkennen: aufgrund des wahnsinnig lauten Blechs. Karajan geht etwas in diese Richtung. Aber das dürfte doch eher Fritz Reiner sein. Ich erinnere mich an seinen großartigen „Don Juan“. Manchmal steht sogar „First Take“ auf den Schallplatten – so stolz war man darauf, auf Anhieb ein publizierbares Ergebnis erzielt zu haben. Auch die „Burleske“ mit Byron Janis ist großartig.

Richard Strauss

Also sprach Zarathustra

Chicago Symphony Orchestra, Fritz Reiner

RCA/Sony

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Ich habe da eine schlimme Ahnung … Andererseits, bei dem Satz spielt jeder in den Arpeggien immer anders. Ich würde das wohl ungefähr so arpeggieren. Aber ich erinnere mich nicht. Nein, das bin ich doch nicht. Aber interessant. Ich habe es seit damals nie wieder gespielt, sondern immer nur zusammen mit den Händel-Variationen von Brahms. Das hier ist etwas klassizistischer, auch barocker als ich es machen würde. Könnte es vielleicht András Schiff sein? Die große Aufmerksamkeit für die Bass-Stimme, die klaren Linien, die Weitsicht. Da verwirrt sich nichts. Als ich Kind war, mit etwa 10 Jahren, kam Schiff nach Ascona und spielte das Stück. – Was, das bin ich doch?! Wie peinlich. Ich würde es heute anders machen.

Georg Friedrich Händel

Suite in B-Dur HWV 434

Francesco Piemontesi

Avanti/Note 1

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Die Aufnahme kenne ich gar nicht. Schönes Orchester. Ist das Elisabeth Schwarzkopf? Die Intonation ist allerdings nicht ganz sauber. Manches ist überspitzt. – Der Bariton ist Bryn Terfel? Ach was. Er hat eine phänomenal gute Aussprache. Seine Stimme gefällt mir hier besser als ihre. – Was, das ist Cecilia Bartoli?! Hier will sie komisch sein. Da! Das wäre der Schwarzkopf nie passiert.

Wolfgang Amadeus Mozart

Le nozze di Figaro, 1. Akt

Bryn Terfel, Cecilia Bartoli, Orchester der Akademie St. Cecilia Ro, Myung-Whun Chung

Decca/Universal

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Zuletzt erschienen:

Wolfgang Amadeus Mozart

Klavierkonzerte Nr. 25 & 26

Francesco Piemontesi, Scottish Chamber Orchestra, Andrew Manze

Linn/Naxos

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Wieder erhältlich:

Johannes Brahms, Johann Sebastian Bach u.a.

Recital (SACD)

Francesco Piemontesi

Note 1

Robert Fraunholzer, 07.04.2018, RONDO Ausgabe 2 / 2018



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