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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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(c) Michael Putland

Norma Winstone

„Hören Sie Sinatra!“

Gefühlvoll, karg, auf die Essenz von Musik und Text konzentriert: Die neue Platte der britischen Sängerin ist zeitlos schön.

Manchmal ist es nett, wenn man ein Thema hat“, sagt Norma Winstone. „Wir mögen Filmmusik, und da lag es nahe, dass wir mal eine Platte machen, die ausschließlich auf Filmthemen beruht.“ Trotzdem entstand kein Filmmusik-Album, denn die Sängerin, der Saxofonist Klaus Gesing und der Pianist Clauco Venier formulierten ihre Versionen der Kino- Themen völlig neu. Winstone: „Ich suche immer Musik, der ich meinen eigenen Sound aufdrücken kann.“
Und die Texte? Winstone zog sich die DVDs mehrmals rein, ließ Musik und Bilder wirken, und irgendwann war klar: Das wird eine textfreie Melodie. Oder ihr stieg eine erste Zeile in den Kopf. „Ist sie gefunden, geht es meistens schnell“, meint sie lachend. „Aber bis man so weit ist, kann es ewig dauern.“ Dann begannen das Ausformulieren, Lernen und Üben. „Das Titelstück ‚Descansado‘ hat eine der schwierigsten Melodien, die ich je singen musste. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich mit ihr wohl fühlte. Aber ich mochte sie, und irgendwann habe ich es geschafft.“
Der Stimme hört man die 76 Lebensjahre nicht an. Klar und rein wirkt sie, und auch in leisen Passagen stark. Winstone bewältigt immense Intervalle präzis wie ein Pianist; im Gegensatz zu vielen anderen Sängerinnen gleitet sie nur dann in Töne, wenn dies der Text nahelegt. In ihren nachdenklichen Interpretationen verschmilzt sie Empathie mit Nüchternheit. „Schön, wenn Sie das so sehen“, kommentiert sie diese Charakterisierung. „Ich habe jahrelang daran gearbeitet.“ Das bleibt auch im Alter so. „Ich muss mein Repertoire immer wieder singen, damit ich es in meinen Ohren und in meinem Kopf habe“, gesteht sie. „Dann kann ich die Stücke schnell abrufen.“
Als sich Norma Winstone zu Beginn der 1960er Jahre am Londoner Trinity College of Music einschrieb, dachte sie noch nicht an eine Gesangskarriere. Sie studierte Klavier und als Zweitfach Orgel. „Ich hätte auch Gesang studieren können; bei der Aufnahmeprüfung musste ich sogar singen. Aber damals wurde nur klassischer Gesang unterrichtet.“ Und der lag ihr nicht.
Ihre Ausgangsbasis war das Great American Song Book. „Ich liebe es“, sagt sie, aber auch: „Ich singe nicht mehr viel davon, weil das alles von Sarah Vaughan, Ella Fitzgerald und den anderen großen Jazzsängerinnen schon so gut gemacht wurde. Was ich mache, ist eigentlich eine Erweiterung dessen in Richtung Kunstlieder.“ Kunstlieder? Ja, Norma Winstone mag die Lieder von Franz Schubert, Hugo Wolf, Robert Schumann oder ganz allgemein klassische Musik und klassischen Gesang. „Es gibt in allen Arten von Musik schöne Stücke. Das ist nur nicht die Art, wie ich mich ausdrücken möchte.“
Für sie wurden Miles Davis’ Album „Kind Of Blue“ und die Platten von Frank Sinatra zum prägenden Erlebnis. Sie faszinierten die Coolness und die relaxte Atmosphäre der Platte des Trompeters und die Ausstrahlung des Entertainers. Wie er nimmt sie jede Silbe wichtig, wie er arbeitet sie mit dem Inhalt der Texte. „Er sang vieles, was ich nicht mag“, meint sie, gesteht ihm aber zu: „Nehmen Sie ‘Only The Lonely’. Er ist absolut glaubwürdig, wenn er singt. Denn er liebt die Musik. Das kann man hören.“ Dies gibt sie auch weiter: „Ich sage zu meinen Studenten: Hören Sie Frank Sinatra und versuchen Sie, mit ihm mitzusingen. Schauen Sie, was er macht. Es wird nicht immer die richtige Tonart für Ihre Stimme sein. Aber hören Sie einfach zu.“

Neu erschienen:

Descansado – Songs For Films

Norma Winstone

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Werner Stiefele, 03.03.2018, RONDO Ausgabe 1 / 2018



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