Startseite · Interview · Blind gehört
(c) Julien Mignot/hm
Antoine Tamestit zählt zu den besten Bratschern der Gegenwart. Geboren 1979 als Sohn des Komponisten Gérard Tamestit, wechselte er mit neun Jahren von der Violine zur Viola. Er studierte in Paris und bei Tabea Zimmermann in Berlin. Bei der Uraufführung der Bratschenkonzerte von Olga Neuwirth und Jörg Widmann war er der Solist. Sofia Gubaidulina überarbeitete für ihn ihr 1996 komponiertes Bratschenkonzert. Seit 2007 ist Tamestit auch Mitglied in dem von Frank-Peter Zimmermann gegründeten Trio Zimmermann. Bis 2013 lehrte er als Professor in Köln, seitdem in Paris.
Der 4. Satz aus Berlioz’ „Harold en Italie“, ein Hauptwerk unseres Repertoires. Das Orchester gefällt mir, das Tempo ebenso und die Energie auch. Das Problem mit diesem Satz ist, dass er nicht Fisch, nicht Fleisch ist. Hier nicht. Der Bratscher ist nicht übel, sein Stil ist älter. Ich denke an Yuri Bashmet. Er spielt gerne ein bisschen ‚mehr‘ als das, was geschrieben steht. Hier mal eine kleine Verlangsamung, dort ein leichtes Ritenuto. Wir neigen heute eher dazu, den Notentext sehr stark zu respektieren. An Bashmet mag ich die Neigung zum Theatralischen. Sein Ton, mit schnellem Vibrato, ist leicht nasal. Wie er die Lage wechselt, ist unerverkennbar. Die ausgeglichendsten Aufnahmen dieses Stückes stammen wohl von Gardiner, mit Gérard Caussé, und von Colin Davis mit Tabea Zimmermann. Man darf jedoch ruhig auch die Verrücktheit des Komponisten merken, um das Stück richtig zu verstehen. Er war immerhin Avantgarde.
Die Aufnahme habe ich noch nie gehört. Ich gestehe, dass das Stück auch von Hummel stammen könnte, wenn man es hier so hört. Aber interessant. Gut! Hier wird sehr sauber intoniert. Man merkt auch kaum, dass es sich um eine Viola handelt. Gutes Zusammenspiel, sehr kultiviert. Ich glaube, man würde noch mehr lernen, wenn man sich dazu entschließen könnte, auf Darmsaiten zu spielen. Es würden sich andere Reibungsflächen ergeben. Nun zur Sache: Das muss Nils Mönkemeyer sein. Man hört alle Möglichkeiten, die dieser Solist hat. Ich bin sehr beeindruckt.
Sony Classical
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(Ohne zu zögern) William Primrose spielt Paganini. Ihn erkenne ich sofort. Das liegt auch ein bisschen an der Viola, mit dieser großartigen, runden Tiefe. Primrose, ein moderner Stammvater unseres Instruments, war unglaublich schnell mit dem Bogen und mit den Fingern. Wenn er mit Jascha Heifetz spielte, wusste man nicht, wer besser ist. Exzellent, hören Sie sich das an! Das Timing, das Rubato sind aus einem anderen Zeitalter. Es ist altmodisch im guten Sinn. Man hat das gewiss in einem Take durchproduziert, ohne zu schneiden. Bei Primrose klingt vieles, was er spielt, wie ein Scherzo. Man weiß heute kaum mehr, was wir Primrose alles verdanken. Auch die Seele, die in seinem Spiel durchklingt, scheint mir heute teilweise verloren zu gehen.
Naxos
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Der erste Satz des „Schwanendrehers“ von Paul Hindemith. Ganz sicher mit Tabea Zimmermann. Interessanterweise habe ich einen Augenblick gedacht, dass ich es selber bin. Schließlich habe ich sehr viel bei ihr gelernt. Hoffentlich auch die Zartheit und Poesie. Dieses Stück kann harsch klingen, wenn man nicht aufpasst, und dann verliert man sofort die Lust daran. Hier, bei Tabea, wird man direkt hineingezogen. Ein großer Ton, ohne dass er gewalttätig würde. Eine ideale Musikerin! Und ein Vorbild für uns alle. Die Persönlichkeit, wissen Sie, muss bei jedem Musiker immer eine andere sein, aber der Ton muss genauso unforciert, rein und großartig klingen wie hier. Das dürfte übrigens die Aufnahme unter Hans Graf sein. Bisher habe ich alles rausgekriegt, oder? Naja, das liegt daran, dass ich halt immer gern weiß, was vorher war.
„La sonnambula“ von Bellini. Ich würde denken, mit Cecilia Bartoli. – Nein?! Da war doch dieser eine Ton, der von Bartoli war … Gestern habe ich Renée Fleming mit dieser Arie gehört, sie ist es nicht. Das ist aber eine schöne Aufnahme!, die kaufe ich. Großartig. Auch ein sehr energetisches Orchester. Die Sängerin selbst klingt sehr kontrolliert. Was, es ist doch Fleming?! Ich bin ein Fan von ihr, aber erkannt hätte ich sie nicht. Die Stimme klingt viel leichter als ich sie glaubte in Erinnerung zu haben.
Decca/Universal
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(Nach zwei Sekunden) Lionel Tertis. Das Gleiten mit der linken Hand wird heute übrigens als ein Verbrechen betrachtet. Dass er zu Anfang den Bogen wechselt, wird auch nicht mehr als korrekt angesehen. Trotzdem spielen heute viele Bratscher längst nicht so gut wie Tertis. Ich liebe den dunklen Klang, sein langsames Vibrato und die hörbare Vorbereitetheit, Geprobtheit dieses großen Musikers. Auch er ein Pionier, den die meisten Leute leider nicht kennen. Tertis hat wirklich über das Stück nachgedacht und überlässt nichts dem Zufall. Er weiß, was er will, und das macht ihn für mich überzeugend. Tertis war, historisch gesehen, einer der Ersten, der als Meister unseres Instruments hervortrat und viele Komponisten inspirierte, so etwa William Walton und Frank Bridge. Ein kleiner Mann mit riesigem Instrument. Er glaubte, dass die größten Instrumente den besten Klang hergeben. Jetzt wird seine Bratsche von William Coleman im Kuss-Quartett gespielt.
Pearl
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Ist das vielleicht die berühmte Rostropowitsch- Aufnahme, mit Britten am Klavier? Nein, das sind Mischa and Martha. Das Vibrato des Cellos ist unverkennbar, die Fragilität des Tons ebenfalls. Darin lag seine große Stärke. Maiskys enorme Leidenshaft beim Spiel kann einen als Hörer natürlich auch schon mal irritieren. Hier ist er in his prime. Sehr berührend. Sehr romantisch, schön! Eigentlich finde ich ihn romantischer als sie.
Philips/Universal
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Die Viola-Sonate von Schostakowitsch. Ich mag das Tempo, die Stimmung auch, und dass es ein bisschen kühl ist. Nicht zu viel Vibrato. Ich kenne keineswegs alle Aufnahmen von dem Stück, höre aber, dass es nicht Nobuko Imai ist, auch nicht Kim Kashkashian oder Yuri Bashmet. Nicht Druschinin oder Maxim Rysanov. Also könnte vielleicht ich es sein. Trotzdem, falls ich es sein sollte: Ich erkenne mich nicht. Nur: Ich erkenne den Pianisten!! Na also, das ist doch Markus Hadulla. – Wir Musiker spielen hauptsächlich mit dem Kopf und hören uns selber nur von innen. Deswegen irren wir uns ja auch. Über uns selber.
Naïve/Indigo
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