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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Startseite · Interview · Blind gehört

(c) Maike Helbig

Blind gehört

Felix Klieser: „Ich hasse es, mich selbst zu hören“

Hornist Felix Klieser, geboren 1991 in Göttingen, wandte sich bereits im Alter von 4 Jahren dem Horn zu. Da er ohne Arme geboren wurde, lernte er von früh auf, die Ventile des Instruments mit dem linken Fuß zu bedienen. Das Horn wird auf einem speziell entworfenen Metallständer befestigt, statt den Schalltrichter mit der Hand zu „stopfen“, erzeugt Klieser weiche und dunklere Töne durch eine spezielle Ansatztechnik. Mit 13 Jahren wurde er an der Musikhochschule als Jungstudent aufgenommen. 2014 erhielt er den ECHO Klassik in der Kategorie „Nachwuchskünstler des Jahres“. Er lebt in Hannover.

Klingt sehr gut, fast so ein bisschen wie ein Wiener Horn. Die sind kieksanfälliger und noch schwieriger zu spielen. Hier klingt’s sehr prägnant, sehr voll. Es hat den Signalcharakter des „Siegfried“-Rufs, ohne dass es schmettert oder vulgär klingt. Ich glaube, es muss ein Orchestersolist sein. Er klingt so kräftig, so wie man klingen muss, wenn man auf einem Podium hinter den anderen steht. Ist das vielleicht Gerd Seifert? Er war berühmt für diese Stelle, und zugleich der wohl berühmteste Solo- Hornist der Berliner Philharmoniker – zur Zeit Karajans. An dieser Aufnahme kann man auch erkennen, dass gute Dirigenten immer dann gut sind, wenn sie die Fähigkeit haben, ihren Solisten Raum zu lassen. Und nichts aufzuzwingen. Da steckt viel Seifert drin. Nun ja, wenn es nur ein Orchester geben sollte, bei dem die Musiker eine eigene Meinung haben, so wären es wohl die Berliner Philharmoniker. Oder?

Richard Wagner

Siegfrieds Hornruf, aus: „Siegfried“, Zweiter Aufzug

Gerd Seifert, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan

DG/Universal

Dieses Vorspiel dauert jetzt erstmal ein Weilchen … Ich hab’ aber schon so eine Ahnung. Und tippe auf Hermann Baumann. Wir hätten zwar auch noch den legendären Dennis Brain im Angebot. Aber der spielt eigentlich wesentlich feiner, schlanker im Ton. Das hier ist wie ein Zug, der auf Schienen fährt. Es gibt für den Solisten keine zwei Meinungen. Ein sehr voller Instrumentenklang. – Was, doch Brain?! Dann muss es wohl eine frühere Aufnahme sein. Er dosiert besser in der späteren Aufnahme unter Karajan. Für veraltet halte ich sein Spiel nicht. Gar nichts ist veraltet! Man muss sich mit allem auseinandersetzen. Am weitesten weg von mir ist beispielsweise Peter Damm – den ich deswegen fast am meisten überhaupt bewundere. Er kann das Horn spielen, so dass es fast nach einer Trompete klingt. Ich bewundere es, weil ich es so nicht könnte.

Wolfgang Amadeus Mozart

Horn-Konzert Nr. 4

Dennis Brain, Hallé Orchestra, Malcolm Sargent

Warner

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Da haben wir ihn ja. Das ist Peter Damm. Genau dieses Feine ist es, das ich an ihm so bewundere. Selbst auf dem Signalton wird vibriert und charmiert. Eine Fanfare – wie ein Liebesbrief. Sein Ton ist nie eine Bulldogge. Sondern viel schlanker, wie eine kleine Katze, die durch ein Loch im Zaun schlüpft. Das erste Horn-Konzert von Strauss wird vom Publikum übrigens weit mehr geliebt als das zweite. Das zweite habe ich bisher noch nicht einmal gespielt. Ich bin der Auffassung, dass man sinnvoll und ökonomisch mit dem Repertoire umgehen und nicht von Anfang an alles tun soll.

Richard Strauss

Horn-Konzert Nr. 1

Peter Damm, Staatskapelle Dresden, Rudolf Kempe

Warner

Dieses Werk von Reinhold Glière klingt vielleicht trivial, ist aber das Gegenteil davon. Es ist sehr schwer homogen zu spielen. Was wir da hören, ist die beste Einspielung des Stücks: Hermann Baumann mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur. Ich würde nicht sagen, dass ich das auch nur annäherungsweise so spielen kann. Aber mein Ansatz ist ähnlich. Viel Energie! Fast wie ein Bohrer, der sich in eine Wand bohrt, ohne etwas kaputt zu machen. Baumann verfügt über ein leichtes Vibrato, das aber nie ein Schmalzvibrato ist. So wie ein guter Streicher. Und er vibriert alles. Ich habe das Werk nur ein einziges Mal gespielt. Und bei der Aufnahmeprüfung. Da sogar mit der von Baumann geschriebenen Kadenz.

Reinhold Glière

Horn-Konzert op. 91

Hermann Baumann, Gewandhausorchester Leipzig, Kurt Masur

Decca/Universal

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Johann Sebastian Bach

Cello-Suite Nr. 2 BWV 1008

Radek Baborák

Cryston/in-akustik

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Christiane Karg ist das nicht. Die Sängerin ist mir, glaube ich, unbekannt. Indes kommen wir als Hornisten eigentlich sehr vom Sängerischen her. Luftführung und Stütze sind gut vergleichbar. Nur machen wir die Töne nicht mit dem Kehlkopf, sondern mit den Lippen. Trotzdem sehe ich persönlich mehr Verbindungen zum Streichinstrument. Ich bin selber übrigens ein grauenhafter Sänger. Ich kann nicht mal Weihnachtslieder anstimmen. – Marilyn Horne? Aha. Ich muss keineswegs an ein Horn denken, wenn ich die Stimme höre. Ein feines Timbre, offenbar eine große Sängerin.

Gustav Mahler

„Rückert-Lieder“

Marilyn Horne, Los Angeles Philharmonic Orchestra, Zubin Mehta

Decca/Universal

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Das klingt fast schon nach heiler Familie. Beim Schleswig-Holstein- Festival habe ich einmal den Leonard Bernstein- Award gewonnen. Die Kinder von ihm waren mit dabei. Diese Aufnahme – mit Mary Martin?, aha! – habe ich noch nie gehört. Bernsteins Mahler-CDs finde ich genial. Unter Musikern wird gelegentlich die Unterscheidung zwischen Brucknerianern und Mahlerianern gemacht. Ich gehöre letzteren an. Leider zählt Bernstein zu den vielen, die ich nie kennen lernen konnte. Wie gern hätte ich mit ihm Brahms gespielt, der, nebenbei gesagt, immer nur für das Naturhorn komponierte und die Entwicklung des Ventilhornes geflissentlich ignoriert hat. Er lehnte es ab. Mir geht es nicht so. Heute kann auch ein Ventilhorn fast so wie ein Naturhorn klingen.

Leonard Bernstein

„Lucky To Be Me“

Martin, Tutti Camarata Orchestra, Leonard Bernstein

antiqu.

Das bin ich selber. Weil ich da Dinge höre, die mir nicht gefallen – und ich krieg’s einfach nicht hin … Den Anfang hier stelle ich mir immer wie eine grüne Slime-Masse vor. Oder wie einen grünen Flummy, der sich in alles biegen und formen lässt. Oh, ich hasse es, mich selbst zu hören! Das geschieht für gewöhnlich nur beim Abhören. Danach gucke ich das Ganze nur noch von außen an. Wenn ich 30 Jahre älter bin, wird das vielleicht einmal anders für meine Ohren klingen. Jetzt noch nicht.

Robert Schumann

Adagio und Allegro As-Dur

Felix Klieser, Christof Keymer

Berlin Classics/Edel

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Neu erschienen:

Frédéric Nicolas Duvernoy, Charles Koechlin, Johannes Brahms, Robert Kahn

Horn Trios

Felix Klieser, Herbert Schuch, Andrej Bielow

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Robert Fraunholzer, 09.12.2017, RONDO Ausgabe 6 / 2017



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