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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Bibliophiler Thomaskantor (c) André Nestler / Bachhaus Eisenach

Pasticcio

Kirchenbibliothekar Bach

Die einzigen wirklichen Leseratten unter den Komponisten, die auch literarische Ambitionen hatten, waren im Grunde nur Robert Schumann und Richard Wagner. Aber selbstverständlich haben sich auch die Mozarts, Beethovens und Brahms‘ nicht nur musikalische Fachlektüre zu Gemüte geführt, sondern auch Philosophisches und Belletristisches, wie man jeweiligen Nachlassverzeichnissen entnehmen kann. Aber wie schaute es eigentlich im Bücherregal des Workaholics und vielfachen Familienvaters Johann Sebastian Bach aus? Fand er die Muße für ein gutes Buch? Zur Beantwortung dieser Fragen war für die Bach-Forschung auch hier das Nachlassverzeichnis eine wertvolle Quelle. Und wie nun das Bachhaus in Eisenach in einer kleinen, aber feinen Dauerausstellung unter dem Titel „Bachs innere Welt“ zeigen kann, war der Komponist zumindest während seiner langen Leipziger Zeit eher ein theologisch interessierter Bücherwurm (www.bachhaus.de). Denn von den 51 Titeln, die sich auf 82 Bände verteilen, nehmen allein Lutherschriften mehr als ein Viertel ein. Zudem finden sich Bände über die Kirchengeschichte, den Konfessionenstreit sowie von Autoren wie Philipp Jacob Spener und August Hermann Francke, die der Mystik und dem Pietismus eng verbunden waren.
In den 27 Jahren, in denen Bach in dem damaligen Buchzentrum Leipzig lebte und arbeitete, war er stets auf der Hut, wenn es auf Auktionen gerade wieder interessante Schriften zu ersteigern gab, die er anschließend zum Buchbinder bringen konnte. Zwar konnte das Team um Bachhaus-Direktor Jörg Hansen nun auf kein einziges Exemplar zurückgreifen, das gesichert aus Bachs Bibliothek stammt (das weltweit einzige Buch mit einem Eigentumsvermerk von Bach befindet sich in St. Louis/Missouri und ist die „Biblia Illustrata“ von Abraham Calov). Trotzdem konnte man historische Alternativausgaben zusammentragen, die nicht nur für Bach-Fans, sondern auch für Bibliophile eine absolute Augenweide sind. Wie etwa das „Reisebuch zur Heiligen Schrift“ von Heinrich Bünting aus dem Jahr 1592, das mit einem wertvollen Stich auftrumpfen kann, auf dem die Welt als Kleeblatt um die Stadt Jerusalem angeordnet ist.

Guido Fischer



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