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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Neustart mit 62: Simon Rattle (c) Oliver Helbig/asconasholt.com

Pasticcio

Sir Jetsetter

In den letzten Tagen hatte Simon Rattle gleich zwei Mal etwas zu feiern. Am 19. Januar wurde der charismatischste Lockenkopf der Klassikszene 62 Jahre alt. Am 17. Januar hatte dagegen der offiziell bis 2018 amtierende Chef der Berliner Philharmoniker in London die internationale Presse eingeladen, um ihr in seiner Funktion als kommender Chef des London Symphony Orchestra seine erste Konzertsaison 2017/18 zu präsentieren. Und gleich der auf zehn Tage ausgedehnte Eröffnungstusch wird es in sich haben. Denn als leichtverdauliche Appetizer sind die Programme nun so gar nicht angelegt. Da wird etwa Berlioz‘ verkappte Oper „La Damnation de Faust“ gegeben. Und gleich zum Einstand, im allerersten Konzert, erklingt ausschließlich Britisches mit Werken von Edward Elgar sowie der Zeitgenossen Helen Grime, Harrison Birtwistle und Oliver Knussen. Und mit Thomas Adès‘ Orchesterstück „Asyla“ schließt sich quasi auch der Kreis des Dirigenten Simon Rattle. Denn Adès hatte das Werk für den einstigen Shooting-Star und Chefdirigenten des City of Birmingham Symphony Orchestra geschrieben. Und mit diesem Londoner Auftakt kehrt Rattle in die Heimat zurück. Doch weil sein Vertrag bei den Berliner Philharmoniker noch bis 2018 geht, muss er sich zweiteilen. „Im Moment mache ich noch dies verrückte Ding, zwei Orchester gleichzeitig zu leiten“, so Mr. Tatendrang.
Darüber hinaus präsentierte Rattle auch neue Weichenstellungen. Um mehr junges Publikum zu generieren, kosten die Konzertkarten für alle unter 18 Jahren schlappe 5 Pfund! Und auch an die arbeitende City-Bevölkerung hat Rattle gedacht. So gibt es Konzerte bereits am frühen Abend. Eine großes Fragezeichen schwebte aber trotzdem über dem Pressetermin: Wie schaut es eigentlich mit dem neuen Konzertsaal aus, für den sich Rattle vehement einsetzt? Schließlich ist das bisheriger Domizil des LSO, das Barbican Centre, nicht unbedingt eine Schmuckschatulle. Und wie Rattle zu diesem Anlass erneut betonte, ist die Bühne derart klein, dass man stolze 20 Prozent des größer besetzten Repertoires hier gar nicht aufführen kann. Zwar hat man sich die Machbarkeitsstudie für einen neuen Musiktempel bereits 5 Millionen Pfund kosten lassen, doch nach dem Regierungswechsel scheinen solche Pläne erst einmal wieder auf Eis zu liegen. Denn für die veranschlagten Baukosten von rund 324 Millionen Euro gäbe es aktuell kaum Zustimmung in der breiten Öffentlichkeit. Denn schließlich steht nach dem Brexit-Votum auch Londons wirtschaftliche Zukunft erst noch in den Sternen.

Guido Fischer



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