home

N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Startseite · Oper & Konzert · Da Capo

(c) Jens Großmann

Furioser Auftakt: Reich/Offenbachs „Three Tales“ und „Hoffmanns Erzählungen“

Wuppertal

Als der Wuppertaler Generalmusikdirektor Toshiyuki Kamioka sich vor zwei Jahren zum Opern-Intendanten krönen ließ, schaffte er erst das Ensemble ab und spielte dann nur noch angestaubte Tournee-Produktionen. Der Schuss ging nach hinten los. Kamiokas Nachfolger Berthold Schneider hat nun wieder ein neues Ensemble aufgebaut und einen Spielplan mit Eigenproduktionen entwickelt.
Beim Auftaktwochenende werden die programmatischen Eckpfeiler sinnlich erfahrbar. Bewusst steht „Three Tales“, eine Video- Oper von Steve Reich und Beryl Korot, am Anfang, ein legendäres Werk, das bislang nur auf Festivals zu sehen war. Das Publikum sitzt auf der Bühne, auf zwei Leinwänden läuft das minutiös getaktete Video, das von drei einschneidenden Ereignissen des 20. Jahrhunderts erzählt: der Hindenburg-Luftschiff-Katastrophe, den Atombombentests auf dem Bikini-Atoll und dem Klonen des Gen-Schafs Dolly. Steve Reichs Video-Oper wirkt taufrisch und durchaus repertoirefähig. Eine echte Entdeckung.
Der zweite Schlag gelingt am Folgetag: Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ lässt Schneider von gleich vier namhaften Regisseuren erzählen. Charles Edwards, Nigel Lowery, Christopher Alden und Inga Levant zeigen vier Sichten auf das Musiktheater und übertrumpfen einander in Sachen Bildfantasie. Nach dem turbulenten Prolog mit einer dauertrunkenen Dramaturgin setzt Nigel Lowerys Regie für den Olympia-Akt auf expressionistische Comic-Optik mit Olympia als durchgeknallter Monster-Braut. Christopher Alden konzentriert den Antonia-Akt mit Anklängen an das Horror-Genre auf ein Psychodrama in schwarz-weißer Ästhetik. Inga Levant schließlich verlegt den Venedig-Akt in ein Doktorspiel-Kabinett mit Giulietta im Latex- Mini. Das alles ist ungeheuer kurzweilig, bildermächtig und in Sachen Personen-Führung penibel durchgearbeitet. Das sängerische Niveau ist famos, insbesondere Mickael Spadaccini glänzt in der mörderischen Titelpartie mit Tenor-Strahl und delikater Diktion. Dirigent David Parry im Graben drängt rastlos vorwärts und entlockt dem Sinfonieorchester Wuppertal eine Fülle kostbarer Farben und funkelnde Brillanz. Ein furioser Auftakt.

Regine Müller, 01.10.2016, RONDO Ausgabe 5 / 2016



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Festival

Musikfestspiele Potsdam Sanssouci

Freundschaftsbande

Auch Jordi Savall, Il Giardino Armonico und das Opernteam vom Versailler Schloss sind bei der 33. […]
zum Artikel

Da Capo

Stuttgart, Oper

Es gibt so Kunstkombinationen, da kann man beinahe zu 100 Prozent sicher sein, dass sie […]
zum Artikel

Pasticcio

Vorbildlich

Meldungen und Meinungen der Musikwelt

Seit erst wenigen Monaten ist die neue Leipziger Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke im Amt. Und […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Der Komponist Giacomo Orefice (1865–1922) wuchs in einer jüdischen Familie im norditalienischen Vicenza auf und ist vor allem für sein Opernschaffen bekannt. Auch als Pädagoge macht er sich einen Namen, sein berühmtester Schüler war der Filmkomponist Nino Rota. Orefices bekanntestes Musiktheaterwerk ist „Chopin“, für das er die Klavierwerke des polnischen Komponisten orchestrierte. Seine eigene Klaviermusik umfasst überwiegend romantische Charakterstücke, die von Gedichten, […] mehr


Abo

Top