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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Sir Neville Marriner (c) IC Artists

Café Imperial

Unser Stammgast im Wiener Musiker-Wohnzimmer

In Franz Lehárs mittlere, etwas schwächere Phase fällt „Frasquita“. Ein – der Verdacht bestätigt sich: – „Carmen“-Ableger à la zingarese. Ein Pariser Fabrikanten-Neffe verfolgt die exotische Sängerin durch drei Akte. Mit „Schatz, ich bitt’ dich, komm heut Nacht“ komponierte Lehár zumindest einen Super-Hit, der seinen Uraufführungssänger Richard Tauber weltweit populär machte. In der Sommerarena von Baden bei Wien macht das Werk erstaunlich starken Eindruck. Man hat hier, was am Wichtigsten ist: gute Komiker! Rupert Bergmann als Fabrikant wirkt wie der Gastgeber von Miss Marple in „16 Uhr 50 ab Paddington“. Thomas Malik: ein akademischer Sancho Pansa. Bibiana Nwobilo (Frasquita) sang in Baden bereits vor zwei Jahren Lehárs „Giuditta“. Schon damals an der Seite von Sebastian Reinthaller, der sich erneut nachhaltig als letzter Kurort-Tauber mit originärem Operetten-Schmelz empfiehlt. Für Reinthaller, zugleich Intendant in Baden, steht die letzte Spielzeit bevor. Er ist ein schöner Nachschein vergangener Operetten-Seligkeiten. Als Sänger ist er, so sagt sein Nachfolger, auch künftig hochwillkommen. Zum Glück!
Im Café Imperial, der Wärmestube verregneter Sommer auch für ausübende Musiker, hängen wir heute eitlen Erinnerungen nach. Denn wem sind wir hier nicht alles schon begegnet. Da hinten haben wir Arcadi Volodos auf Russisch interviewt (mit Übersetzerin), am Nebentisch Neil Shicoff auf Englisch. Im Café Imperial machte Claus Peymann, freilich ohne mich, der Burgtheater-Doyenne Paula Wessely ihr letztes Rollenangebot (das sie nicht annahm). Vorne rechts am Fenster haben wir Cornelius Meister davon erzählt, dass in Stuttgart ein GMD gesucht wird (das Angebot nahm er an). Besonders hochmögende Künstler, so etwa Riccardo Muti, hatten fürs Interview extra eine Suite reserviert (wo Muti rauchen konnte). Nun ja. Mangel an großen Musikern herrscht in Wien nie. Dass Zubin Mehta hier die Wiener Philharmoniker dirigiert (Musikverein, 23. – 26.9.), gehört zur Normalität: ein Dirigent, der als Anekdotenerzähler ebenso unterhaltsam ist wie am Stab. Einmal habe er verpasst, so erzählte mir Mehta vor Jahren, Birgit Nilsson den Einsatz zu geben. Auf seine Ausrede: „Frau Nilsson, ich habe Sie nicht hören können“, machte die einen schönen Skandal und höhnte: „Mehta hört mich nicht!“ (Die Nilsson, zur Aufklärung, besaß das, was man ein ‚Mordsorgan’ nennen könnte). Dass Antonio Pappano in Wien sein Accademia di Santa Cecilia-Orchester präsentiert (28./29.9.) und Riccardo Chailly die Filarmonia della Scala (1.10., beide Musikverein), ist gleichfalls nichts Besonderes. Sogar der 92-jährige Neville Marriner, der die Wiener Philharmoniker nie dirigieren durfte, kommt mit der Academy of St Martin in the Fields nochmal vorbei (4.10.). Er erzählte mir, das Geheimnis seiner Fitness bestehe darin, dass er so schlecht Tennis spielt. „Ich renne mehr so auf und ab“, so Marriner. Das aber: schon lange. Teodor Currentzis kommt mit MusicAeterna (12.9.) und mit der Camerata Salzburg (4./5.10, beide Konzerthaus). An der Staatsoper sind am interessantesten, wenn auch nicht ganz neu, Anja Harteros als „Tosca“ (ab 7.10.) und Dmitri Hvorostovsky als „Simon Boccanegra“ (30.9., 3., 6.10.). Dagegen wartet das Theater an der Wien bereits mit einer echten Uraufführung auf: „Hamlet“ von Anno Schreier (Regie: Christof Loy, 14., 16., 18., 21., 23.9.). Und die Volksoper macht mit „Axel an der Himmelstür“ von Ralph Benatzky jene Operette neu, mit der Zarah Leander 1936 zum Star wurde (Regie: Peter Lund, 14., 15., 17., 23., 25., 29.9., 2., 4.10.). Ob ihrer Nachfolgerin Bettina Mönch das Gleiche widerfahren wird? Ober, zahlen!

Robert Fraunholzer, 10.09.2016, RONDO Ausgabe 4 / 2016



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