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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Startseite · Oper & Konzert · Café Imperial

Elisabeth Leonskaja (c) Julia Wesely

Café Imperial

Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ ist – trotz Karajans kurioser Staatsopern-Deutung 1963 mit Sena Jurinac – ein in Wien rares Werk. Dabei enthält es einen der schönsten Sätze der Opernliteratur überhaupt: „Eine kurze Beklemmung ist das Leben.“ Claus Guth, der hiermit seine Monteverdi-Trilogie am Theater an der Wien vollendet, gab im Vorfeld zu, an dem Werk seien alle seine Konzepte abgeprallt. Um den reißerischen Liebes-Plot – ein spätantikes Mittelding zwischen „Dallas“ und „Denver Clan“ – prompt in einer Fernsehdekoration nach Art einer Game-Show zu inszenieren. Was erstaunlich glatt geht. In Gestalt zweier Countertenor-Transen – dem wunderbaren Marcel Beekman als Nutrice und José Manuel Zapata als Almodóvar-Amme Arnalta – trifft Guth die komischen Elemente des Werkes gut. Jennifer Larmore singt 25 Jahre nach der berühmten René Jacobs-Gesamtaufnahme noch einmal die Ottavia. Alex Penda als Römer- Schlampe Poppea: trefflich besetzt. Und auch Franz-Josef Selig spielt sich als Seneca nicht bloß auf den Wagner-Ausflügler hin aus. Die Krone gebührt indes Valer Sabadus, der als Nerone einige der zwitschernd schönsten Countertenor-Töne seit Alfred Deller singt. Warum Jean-Christophe Spinosi dissonante Umbaumusiken einfügt, ist mir dagegen nicht klar geworden. Warum dieses köstliche Werk nur alle paar Jahrzehnte gespielt wird, auch nicht.
Im einschlägigsten Musiker-Salon von Wien, dem „Café Imperial“, hat einst schon Erich Kästner die Protagonisten seines „Doppelten Lottchens“ Kakao schlürfen lassen. Wenn man sich hier, wie ich kürzlich, mit Cornelius Meister trifft, ist man auch deswegen im Vorteil, weil es hier keine grundsätzliche Musik-Berieselung gibt. Auf die Frage, ob er als Chef des RSO Wien am Karlsplatz schon auf Händen getragen wird, antwortete Meister, das sei noch nicht passiert. Er sei lediglich mal kurz hintereinander mit demselben Wiener Taxifahrer gefahren. „Als ich ihn auch beim zweiten Mal bat, die Musik im Radio doch lieber auszustellen“, so Meister, „antwortete er: ‚Ach ja, ich erinnere mich: Sie sind doch derjenige, der keine Musik mag.’“ Was sollte man dem hinzufügen wollen? Am Theater an der Wien dirigiert Meister „Peter Grimes“ von Britten in der Regie von Christof Loy (ab 12.12., mit Joseph Kaiser). Dort folgt anschließend die „Dreigroschenoper“ mit Anne-Sofie von Otter (ab 13.1., Regie: Keith Warner). Derweil konzentriert man sich an der Staatsoper nach Janáčeks „Vec Makropulos“ (mit Laura Aikin, Regie: Peter Stein, ab 13.12.) auf die neue Oper von Johanna Doderer: „Fatima“ (ab 23.12.). An der Volksoper schließlich gibt es immerhin das Borodin-Musical „Kismet“ (konzertant mit Rodney Gilfry, ab 24.1.). Und für Opern-Verächter? Im Musikverein dirigieren Mariss Jansons mit Schostakowitschs 10. Sinfonie (27.-30.11.) und dem Neujahrskonzert (30.12.-1.1.) sowie Christian Thielemann mit einem Weber-Liszt- Tschaikowski-Cocktail (11.-13.12.) die Wiener Philharmoniker. Nikolaus Harnoncourt kehrt nach etlichen Absagen mit Bach zum Concentus Musicus zurück (5./6.12.). Das Interessanteste dürfte im Wiener Konzerthaus zu erleben sein: Dort widmet sich Elisabeth Leonskaja, inzwischen Grande Dame der russischen Klavierkunst, zyklisch den Schubert-Sonaten (29.11., 26.1.). Daniil Trifonov spielt Rachmaninow und Chopin (18.1.). Paavo Järvi stellt mit der Bremer Kammerphilharmonie die Ergebnisse neuer Brahms-Erkundungen vor (5./6.12.). Und Teodor Currentzis animiert seine Musica Aeterna zu Mozart und Beethoven (19.1.). Wer dafür nicht verreisen würde, kann nur ein Musiker sein. Ober, zahlen!

Robert Fraunholzer, 28.11.2015, RONDO Ausgabe 6 / 2015



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