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Ein Romantiker? Schwermütigschwerblütig? Der Melancholie verdächtig? Knabbernd an der Wunde Welt? Hm. Glauben möchte man es nicht unbedingt, hat man diesen Mann einmal am Telefon gehabt zu einem Austausch über die Musik und warum sie uns alle so beglückt, die sprachgewaltigste aller Künste. Konzise wie sein Staccato sind seine Sätze. Es sind, egal zu welchem Thema, ob zu Liebe, Leidenschaft oder (mögliche) Laster, Sätze, die ohne Pedalgebrauch über den Äther wandern, von Moskau nach Berlin. So richtig ins Staunen gerät man allerdings nicht, wenn Nikolai Lugansky sich in der Kunst des Dialogs übt. Der Mann ist Russe. Wie, um in der Gegenwart zu verharren, beispielsweise Jewgenij Kissin, der große Schweiger. Oder wie Mikhail Pletnev: der noch größere Schweiger.
Die drei Herren eint also zunächst dies: Sie reden nicht gerne. Vor allem reden sie nicht gerne über das, was sie tun. Aber: Warum soll man auch reden, wenn man den Beruf des Pianisten erwählt hat? Das Instrument redet doch genug; daran lässt sich, wie auch immer man die Sache hin und her wiegt, nun einmal nicht herumdeuteln. Und so eint diese drei Herren ein Weiteres: Wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung und Wahl der musikalischen Ausdrucksmittel: Sie haben auf dem Instrument eine Menge zu erzählen.
Es gibt Unterschiede. Sie liegen nicht in der Technik. Russische Pianisten sind dem Rest der Welt, was das angeht, hoffnungslos überlegen. Vor allem in der Linken. Schon der alte Rachmaninow hat das, noch vor der Hardrock-Pranke Horowitz, noch vor dem Gewitterschlag Gilels, gezeigt in jenen gottlob als Erbe seiner Ära verbliebenen Aufnahmen: In der linken Hand liegt die wahre Weisheit eines Stücks. Sei es von Beethoven oder Schumann, von Chopin oder Liszt. Oder eben von Sergej Rachmaninow.
Rachmaninow: Sein Werk ist die vielleicht größte Liebe des Pianisten Nikolai Lugansky. Seitdem er denken kann, fühlt er sich zur Musik, speziell natürlich zu den Klavierpiècen dieses eminenten Zweiflers an der Welt und ihren Erscheinungen hingezogen. Und mag er auch kaum das Naturell des Vorbilds sein Eigen nennen, er hat einfach ein Händchen für Rachmaninows Klangsprache. Entgegen der weit verbreiteten Meinung nämlich wollte Rachmaninow vor allem eines nicht: dass seine Musik sentimental klingt. Hört man sich Rachmaninow an, wenn er Rachmaninow spielt, dann wird das schlagend deutlich: Der Anschlag ist von nachgerade Mozartischer Klarheit, die Durchhörbarkeit der Struktur oberstes Gebot der Interpretation.
Lugansky kennt diese Aufnahmen; natürlich. Er hat sie sich als gleichsam interpretatorische Imago an die Wand gehängt. Lugansky spielt, um das klarzustellen, völlig anders als Rachmaninow. Was sie verbindet, ist die Leichtigkeit, mit der die technischen Hürden übersprungen werden, die Art und Weise, Themen zu modellieren, ihnen Kontur zu verleihen. Luganskys Spiel ist um eine Spur glanzvoller, weicher, polierter. Und zugleich weniger unbedingt. Er liest den Text so luzide, wie es nur irgend möglich ist. Man könnte Lugansky deswegen einen Perfektionisten nennen. Aber das ist er genauso wenig wie ein Romantiker. Er ist einfach ein verdammt guter Pianist. Den Rest der Leidenschaft erledigen die Stücke, die er spielt.
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