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Wie fühlt man sich als Gattin des Chefs, wenn man vor den Augen seiner besten Mitarbeiter sich mit etwas produziert, zu dem man nicht unbedingt geboren ist? So ähnliche Gedanken waren Magdalena Kožená ins Gesicht geschrieben, als sie per Aufzug und einen Sergeanten knutschend auf die Bühne des großen Salzburger Festspielhauses einfuhr, um an der Salzach bei der letzten Opernpremiere der Berliner Philharmoniker vor ihrem Umzug nach Baden-Baden die Carmen zu singen. Ausgerechnet.
Die Kožená ist ein lyrischer Mezzo, mit wenig Höhe und kaum Substanz in der Tiefe, aber mit wunderbaren Farbspielereien, wenn sie leise singen kann. Das darf sie in Salzburg nicht, obwohl die Bühne sehr kleingefahren und extra ein Steg um den Orchestergraben gebaut wurde, um sie so die zweite Habanera- Strophe und die dramatische Kartenszene vorne singen zu lassen. Sicher, sie hat ein paar schöne Chanson-Phrasen drauf, schlägt die Kastagnetten, kann den Flamenco-Grundschritt, zeigt viel barfüßiges Bein. Aber die Figur wirkt von Anfang an aufgesetzt. Herauskommt: Carminchen war allein zu Haus.
Dafür war Jonas Kaufmann als José wieder Klasse! Die Rolle beherrscht er souverän, diesmal als ruhige Mischung aus Naivling und wütendem Lover, mit feiner Pianokultur und mühelos kernig- kerliger Höhe. Klanglich hinreißend zart: Genia Kühmeiers madamige Micaela mit Rotkreuztasche. Sehr brav: der Escamillo von Kostas Smoriginas. Der von der Choreografie kommenden Aletta Collins ist mit dieser ganz traditionell erzählten, harmonisch modern anzusehenden »Carmen« die beste Inszenierung der zehnjährigen Salzburger Rattle-Ära gelungen. Simon Rattle wollte seine erste »Carmen«, die sogar von der EMI für CD aufgezeichnet wird, sehr piano angehen. Das ist ihm auch gelungen, obwohl die selbstredend nicht nur in ihren Soli luxurierenden Philharmoniker auch den grellen, billigen Comique-Ton draufhaben. Aber prägende Impulse hat er nicht zu bieten.
Matthias Siehler, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 3 / 2012
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