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Jazzclub Unterfahrt

Made in München

Wer hochklassiger Jazz in München sagt, meint meist den Jazzclub Unterfahrt. Er ist in der bayerischen Kulturmetropole die einzig verbliebene Spielstätte mit täglichem Programm.

Am Anfang waren drei Jazzenthusiasten und
-musiker, die in Haidhausen 1978 die Eckkneipe „Zur Unterfahrt“ übernahmen, um sich selber und anderen, die ebenfalls die freien Spielweisen pflegten, eine Bühne zu eröffnen. Es war die Zeit, in der sich die angesagte Szene von Schwabing nach Haidhausen verlagerte. Die Unterfahrt stand so nicht nur programmatisch, sondern auch geografisch im Gegensatz zur Jazzclub-Institution domicile in Schwabing. Im Handumdrehen wurde die Unterfahrt das Zuhause der in München lebenden und weilenden Musiker. Hier konnten sie sich austauschen und sich in den regelmäßigen Jamsessions erproben. Die Finanzen allerdings hatten den Dauer-Blues. Als man 1980 ein ordentliches Klavier anschaffen wollte, musste ein Zuschuss der Stadt her. Der allerdings war nur für einen gemeinnützigen Verein zu bekommen, und so wurde schweren Herzens eine Vereinsgründung vollzogen und der Förderkreis Jazz und Malerei e. V. gegründet. Seither finden Kunstausstellungen in den Clubräumen statt.
Der Verein sollte sich als Glücksfall erweisen. Er hat der Unterfahrt bis heute das Überleben gesichert. Mit mittlerweile 850 Mitgliedern bildet er die finanzielle Basis der Arbeit, die auch von der Stadt und der Stadtsparkasse unterstützt wird. Die Konstruktion mit dem Verein ermöglicht die Trennung von Programmarbeit und Verwaltung bzw. Geschäftsbetrieb. Das Booking liegt in den Händen eines professionellen Programmmachers in Festanstellung. Der ist in diesem Falle eine Frau: Seit 15 Jahren, mit kurzer Unterbrechung und zeitweilig im Team mit Michael Stückl, gestaltet Christiane Böhnke-Geisse ein Programm, das wesentlich dazu beigetragen hat, dass 2004 das amerikanische downbeat, das internationale Jazzorgan schlechthin, die Unterfahrt unter die „100 Great Clubs in the World“ aufnahm.
Man ist zu Recht stolz auf die Programmstruktur mit ihren roten Fäden: Neben den Gastspielen mit nationalen und internationalen Größen gibt es regelmäßig Jamsessions und Abende mit den fünf Münchner Big Bands. Ein weiterer Programmschwerpunkt ist die Reihe „European Jazz made in ...“, die in Zusammenarbeit mit den Kulturinstituten der betreffenden Länder entsteht; heuer liegt der Fokus auf Ungarn. Natürlich profitiert das Programm auch davon, dass München der Sitz der Jazzlabels ACT, ECM, Enja, Galileo, Pirouette und Tutu ist. Die Münchner Jazzweek, bei der eine Band eine ganze Woche lang auftritt und am Ende eine CD einspielt, ist Frucht dieser Kooperation, die manchmal auch eine ganz besondere Blüte treibt: Am Abend der Feier zum 25- jährigen Jubiläum versicherte ACT-Chef Siggi Loch Christiane Böhnke-Geisse, dass er keineswegs betrunken sei und durchaus in Absprache mit seiner Frau handele und reichte dann einen Scheck von € 35.000.- für die Anschaffung eines Steinways über die Theke.
Ein Steinway wäre allerdings in der alten Eckkneipe undenkbar gewesen. Querelen mit dem Hausbesitzer führten dazu, dass die Unterfahrt 1998 in das Einstein-Kulturzentrum unweit des alten Standorts umzog. In den Kellerräumen einer ehemaligen Brauerei konnte sich die Unterfahrt einen idealen Auftrittsort ohne die sonst so leidigen Schallschutzprobleme einrichten, und dort steht nun auch wohlbehütet der gestiftete Steinway.

www.unterfahrt.de

Thomas Fitterling, 11.10.2014, RONDO Ausgabe 6 / 2006



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