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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Fanfare

Sprachen wir an dieser Stelle nicht erst kürzlich von der Liebe? Ja, so war es. Von der Liebe sprachen wir und von Paris, der Stadt der Liebe. Aus aktuellem Anlass wollen wir uns diesmal zwar nicht Paris, doch erneut dem schönsten aller Themen widmen. Denn um nichts Anderes als um die Liebe ging es auch bei unserem Besuch im beschaulichen Ludwigsburg. Ludwigsburg ist nicht die Welt. Aber Ludwigsburg hat ein Schloss. Und Schlossfestspiele. Und weil diese Schlossfestspiele sich, wie nicht selten in der Vergangenheit, auch in diesem Sommer bemüht haben um die Aufmerksamkeit der Welt, haben sie dort gleich eine »Welturaufführung« angekündigt. Wohlan, dachten wir da, das müssen wir miterleben. Und so kamen wir nach Ludwigsburg.
Doch nicht zum Schloss. Ort der Welturaufführung war das Forum. Kein besonders pittoresker Ort. Aber tauglich für die Kunst. Und darum ging es schließlich. Und um die Frage, ob der Dichter so vieler fantastischer Novellen (man denke nur an den Kapellmeister Kreisler) auch als Komponist mehr zu vollbringen imstande gewesen war als eine wunderbare Oper (»Undine«), ein fabelhaftes Klaviertrio (in Es-Dur) und ein unter die Haut gehendes Miserere. »Liebe und Eifersucht« hieß das Singspiel, welches E.T.A. Hoffmann anno 1807 zu Papier gebracht hatte, das aber leider danach in irgendeiner Schublade verstaubte, bis, nun, bis es nach 200 Jahren jemand aus dieser Schublade wieder herauszog, um es der Welt darzutun. Und kaum hörten wir die ersten Töne, so waren unsere Ohren gespitzt. Ein herrliches Werk war das, und wirklich zauberhaft musiziert vom Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele unter dem Dirigenten Michael Hofstetter. Und mag die Inszenierung auch bräsig gewesen sein, wir hatten dennoch unseren Spaß, nämlich an der Musik und einigen formidablen Sängern. Im September kommt das Singspiel nach München, ans Gärtnerplatztheater, wir werden gewiss hinfahren.
Gefahren sind wir auch von Ludwigsburg, und zwar: nein, nicht nach Bayreuth. Dieses fränkische Pseudowelterlösungstheater gefällt uns wirklich gar nicht. Ohne zu zaudern, nahmen wir deshalb direkten Kurs auf Baden- Baden. Das ist erstens nicht so weit wie Bayreuth, wenn man von Ludwigsburg kommt, und zweitens haben sie dort bessere Sänger. Was im Falle von Wagners Musik ein wahrlich nicht zu unterschätzender Vorteil ist. Und siehe da, der »Tannhäuser« war, wiewohl szenisch etwas matt in seinem Glanze, musikalisch eine Wonne. Philippe Jordan erwies sich als großer Klangarchitekt, und das Deutsche Symphonie-Orchester spielte endlich mal auf Weltniveau. Und auch Waltraud Meier war wieder famos als Venus (die Rolle der Femme fatale et furieuse scheint ihr irgendwie sehr nah am Herzen zu liegen). Aber erst Camilla Nylund: himmlisch, ihre Elisabeth. Ein Engel auf Erden. Ganz in Weiß. Ach, war das schön.
Und unsere sommerliche Reise war noch nicht zu Ende. Denn das Hauptziel stand noch an: Salzburg. Salzburg ist ein wenig wie Ludwigsburg. Keine Weltstadt. Eher beschaulich, aber doch irgendwie reizvoll. Grigory Sokolov war da. Mit zwei Mozartsonaten und den Préludes von Chopin. Wenn der Russe spielt, dann bleibt die Welt stehen. Hört auf zu atmen. Kippt um und liegt vor uns als wundersam blühende Landschaft. Sokolov ist vielleicht der letzte Poet auf Erden, und wenn nicht auf Erden, so doch zumindest an den Tasten. Vor allem der langsame Satz aus der frühen F-Dur-Sonate Mozarts war von einer Innigkeit, die nicht anders als berührend zu nennen ist. Aber auch der Chopin zeigte wieder einmal, über welche klanglichen Möglichkeiten Sokolov gebietet. Mit einem Wort: wie er uns verzaubert.
Don Giovanni ist, was das angeht, ein Verwandter von Sokolov. Nicht so in Salzburg. In Salzburg ist der Casanova (Christoper Maltman, Regie: Claus Guth) vom Leben gezeichnet, er ist verwundet. Wir sehen ihn in seinen letzten drei Lebensstunden, und das ist eigentlich ziemlich beängstigend, wenn man sich vorstellt, dass das alles so schnell gehen kann mit dem Leben in dieser Welt und dem Tod. Faszinierend war es dennoch. Einmal weil der Tod an sich immer etwas Faszinierendes hat, und dann auch, weil die Menschen auf der Bühne das wirklich ungemein glaubhaft gespielt haben, dieses stetige Verlöschen in der Nacht. In selbige gingen wir dann wie verwandelt hinaus. Und dachten, jeder für uns, welch kurzes Glück doch zuweilen in der Liebe liegt. Und dass man sie darum pfl egen muss, tagaus, tagein. In diesem Sinne bis zum nächsten Mal,
Ihr Tom Persich

Tom Persich, 31.05.2014, RONDO Ausgabe 4 / 2008



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