Startseite · Interview · Gefragt
Mitten in der Nacht spielte er die drei Intermezzi op.117. Das war Anfang Februar 2008 im Leip ziger Mendelssohnsaal, wo der Pianist Yorck Kronenberg seine erste Brahms-CD aufnahm. »Allein mit der Musik und ganz auf sie konzentriert – das ist, wie einsam an einem Roman schreiben«, erinnert sich der 35-Jährige. Jetzt ist die CD erschienen, es ist Kronenbergs sechste – produziert vom Wolfsburger Movimentos-Festival. Mit einem Livemitschnitt von Bachs Goldberg-Variationen fi ng alles an. Die Kritik bewunderte den großen Atem, und Yorck Kronenberg galt als deutscher Glenn Gould. Das Etikett stört ihn längst. Wenn er nun auf Brahms zu sprechen kommt, dann vor allem auf dessen Polyfonie. Als Pianist geht er ihr auf den Grund. Manchmal scheinen die einzelnen Stimmen verschiedene Abläufe von Zeit zu imaginieren. »Das hängt mit der Phrasierung zusammen. Denn Brahms phrasiert in jeder Stimme anders …«
Kronenberg weiß, wie sehr die neue CD ins Dunkel führt. Brahms zitiert als Motto für das erste Intermezzo aus »Lady Anne Bothwell’s Lament« (»Wiegenlied einer unglücklichen Mutter«). Rückt die Musik damit an die Tra dition des Lamentos heran? Kronenberg spricht von Schmerz und spielt diesen Schmerz im Gewicht der Klänge, in der befremdenden Harmonik, im Verklingen und Verschwinden aus. Biografische Ursachen hat dies alles nicht. Kronenberg wuchs in einer Reutlinger Arztfamilie auf. Da ging es nüchtern zu. Zu Hause stand ein Klavier – den Flügel gab’s, als die Begabung offenkundig wurde. Paul Buck in Stuttgart war dann ein Klavierlehrer der alten europäischen Schule. Heute steht Kronenberg eine souveräne Technik zur Verfügung, die sich auch bewährt, wenn er mal zum Cembalo wechselt. Immer wieder fällt der Name seines Lübecker Kompositionslehrers Friedhelm Döhl. Dem hat Kronenberg, wie er sagt, viel zu verdanken. Nicht nur fürs eigene Komponieren, sondern auch fürs Musikdenken.
Dann noch ein Name: E.T.A. Hoffmann. Der schlägt den Bogen zum Schriftsteller Yorck Kronenberg. Sein Roman »Welt unter« erschien 2002 und handelt von einer durchaus hoffmannesken Wirklichkeit. Will sagen: Alles ist nicht ganz geheuer. Dass einer das sieht und hört, verschafft ihm ein wachsendes Publikum. In Roque d’Anthéron war er im vergangenen Jahr. Bei den Wolfsburger »Movimentos« spielte er 2008 zum dritten Mal. Zurzeit aber denkt Kronenberg über Beethoven nach. Irgendwie bleibt er wohl bei den letzten Dingen.
Genuin
Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Rondo Redaktion, 31.05.2014, RONDO Ausgabe 4 / 2008
Langsam erholt sich die griechische Hauptstadt von der Wirtschaftskrise. Kulturmotor ist dabei das […]
zum Artikel
Spritzige Heiterkeit mit Tiefgang
Der Pianist hat Joseph Haydns vergessene Konzerte für Tasteninstrumente eingespielt und dabei […]
zum Artikel
Noch 2001 hatte Pianist Steven Osborne geglaubt, dass er eher Baseball-Sammelbildchen in einer […]
zum Artikel